Rosa Violetta Zettl (*1989) studierte an der Kunsthochschule Kassel, an der Estnischen Kunstakademie, Tallinn, Estland und an der Universität Kassel. Sie lebt und arbeitet in Heidelberg.
Die Beobachtung biologischer und sozialer Zusammenhänge sind die Grundlage der temporären Installationen, Zeichnungen und kritisch ausbalancierten Assemblagen von Rosa Violetta Zettl. In einer fluiden Sammlung werden gesammelte Elemente mit handgefertigten Keramikobjekten, Kunststoffen und industriell Gefertigtem zusammengebracht.
Die syntaktischen Kompositionen dich sich zu fragilen Rauminstallationen entwickeln können, spielen nicht nur auf hierarchische Strukturen an, sondern befinden sich in stetiger Weiterentwicklung, bleiben offen und erweiterbar. Es geht um Symbiose, das kontrahierende Zusammenspiel aus Natur und kapitalistischer Kultur, um ein Streben nach Gleichgewicht, um ein Anlehnen an das Gegenüber und um Wachstum. Es geht um Dichotomien, wie die des Drinnen (seins) oder eben außerhalb von etwas zu sein, das Ziehen von Grenzen und wiederum das Verbinden unterschiedlicher Punkte eines Systems an dem sich Carl von Linné die Zähne ausbeißen würde.
Infos:
Rosa Violetta Zettl (*1989) absolvierte ihr Studium der Bildenden Künste als Meisterschülerin an der Kunsthochschule Kassel, studierte Skulptur und Installation an der Estnischen Kunstakademie, Tallinn, Estland und Kunstwissenschaft und Soziologie an der Universität Kassel.
Ihre Werke wurden international in Einzel– und Gruppenausstellungen präsentiert: u.a. in Einzelausstellungen im Neuen Kunstverein Wuppertal (2022), im Haus am Wehrsteg, Heidelberg(2020), Edel Extra,Nürnberg (2019), Kultur Kirche Heiligkreuz, Bottrop (2019), Warte für Kunst, Kassel,(2018), Fenster9, Kassel (2017), Fullepavillon, Kassel (2017), Alte Brüderkirche, Kasse (2017), Stellwerk, Kassel (2017), Galerie Metropol, Tallinn, Estland (2016), Raja Galerie, Tallinn, Estland (2016) und in Gruppenausstellungen im Kunstverein Walldorf (2023), im Kunstverein Schieder-Schwalenberg (2022), Galerie Ladons, Hamburg (2022) in der Galerie 21, Hamburg (2022), im Heidelberger Kunstverein (2021), in der Galerie Coucou in Kassel (2021), im Forum für Kunst, Heidelberg (2020), Mannheimer Kunstverein (2020), ForumS15, Hannover (2019), Art Supplement, Göttingen (2019), 387qm, Südflügel, Kassel (2019), Apple House Gallery, Skælskør, Dänemark (2018), Galerie Holzburg, Schrecksbach (2018), Luis Leu, Karlsruhe (2018), documenta-Halle, Kassel (2017), Fotokuu Art Fair, Tallinn, Estland (2017), Kunstverein Familie Montez, Frankfurt am Main (2017), Kunsthalle Linz, Österreich (2017), documenta-Halle, Kassel (2016), Raja Galerie suur studio, Tallinn, Estland, Fringe Arts Festival, 44AD, Bath, Vereinigtes Königreich (2016), Estnisches Museum für zeitgenössische Kunst, Tallinn, Estland (2016), Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz, L40, Berlin(2016), Galerie der Akademie, auf AEG, Nürnberg (2016), Regierungspräsidium Kassel, Deutschland (2014)
Texte:
Hydra
Text: Miriam Bettin, 2022
We ourselves are sea, sands, corals, seaweeds, beaches,
tides, swimmers, children, waves . . . seas and mothers.
– Hélène Cixous & Catherine Clément 1
Hydra, ein vielköpfiges Wesen der griechischen Mythologie, wird nachgesagt, unsterblich zu sein: verliert sie einen Kopf, wachsen ihr zwei neue. Ihr Hauch ist tödlich.
Die Wasserschlange ist namensgebend für den Süßwasserpolypen aus der Gattung der Nesseltiere der aquatischen Biologie: Hydra vulgaris ist von bräunlicher Färbung und misst 5 bis 15 mm Länge. Ihr Rumpf – vom Kranz bis zur Knospungszone – geht in den schwächer pigmentierten Stiel über und erweitert sich gleichmäßig um fünf bis 12 Tentakeln, die die doppelte Länge des Rumpfes erreichen können.
Neusten Erkenntnissen der Forschung zufolge, ist die Hydra vulgaris nicht nur bemerkenswert regenerationsfähig, sondern ihr wird auch, gleich ihrem mythologischen Vorbild, Unsterblichkeit zugesprochen. Die Süßwasserpolypen weisen keinen Alterungsprozess und Generationswechsel auf; es fehlt die sogenannte Medusengeneration. Hydren können mehrgeschlechtlich sein und besitzen zudem die Fähigkeit, sich ungeschlechtlich fortzupflanzen.
Jene Wesen, die paradigmatisch scheinen für ein Nachdenken über das Post-Anthropozän sind titel- und formgebend für Rosa Violetta Zettls Einzelausstellung im Neuen Kunstverein Wuppertal: Hydra als ein Gegenmodell zu hierarchischen und binären Gesellschaftsordnungen.
Zettls raumgreifende Installation umfasst ausbalancierende Bambus- und Glasrohre, Tonziegel und amorphe Skulpturen aus Keramik und Bronze, darunter prähistorisch anmutende Speerspitzen in Form von Korallen, Pilzen und Kristallen. In Regalsystemen versammeln sich allerhand organische Materialien: Flechten, Wespen- und Hornissennester, Straußeneier, Algen – einige Objekte sind auf mit Pflanzen und Metallen (Hibiskus, Brennnessel , Eisen) gefärbte Stoffkissen gebettet. In Form eines fluiden und symbiotischen Archivs, dem die Künstlerin stets neue Dinge hinzufügt oder hinterlässt, wirken die Fundstücke wie Relikte einer längst gewesenen Zeit oder Propheten einer noch bevorstehenden Zukunft.
Eine Reihe an neuen Aquarellen nimmt sich ganz konkret der vielgestaltigen Wasserpolypen an. Wasser ist das verbindende Element, das in Zettls Material- und Formsprache wiederholt auftaucht: Nicht nur besteht der Mensch aus bis zu 90 Prozent Wasser; Wasser, so Astrida Neimanis in ihren Überlegungen zum Hydrofeminismus, ist eine Einheit, individualisiert als unser Körper, und besitzt andere Logiken, andere Muster und Mittel, um unsere irdische Welt zu beleben und in Verbindung zu setzen: „Water flows through bodies, species and materialities, connecting them for better or worse.“ Als ein fließendes, immer in Bewegung befindliches Element, in dem andere physikalische Gesetze herrschen , öffnet es das Potential, demokratisch zu sein – länderübergreifend, artenübergreifend, körperübergreifend. Doch spätestens seit der Kolonialzeit, den jüngsten Menschenrechtverletzungen auf dem Mittelmeer und dem Klimawandel ist es auch ein Mittel der Kontrolle, der Macht und der geopolitischen Interessen. „On a geological scale, we have all arisen out of the same primordial soup, gestated by species upon watery species that have gifted their morphology to new iterations and articulations. (...) We are all bodies of water, in the constitutional, the genealogical, and the geographical sense.“
1 Hélène Cixous and Catherine Clément, “Sorties: Out and Out: Attacks/Ways Out/Forays”, in: The Newly Born Woman, trans. Betsy Wing, Minneapolis, 1986, S. 89.
RAUM FORM MATERIAL, 2022
Interview mt Liv Pedersen, Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), Hamburg
Ausstellung Sympoiesis, Raum für Kunst und Ökologie, kuratiert von Inka Lusis
LP:Würdest Du sagen, dass natürlich gewachsene Materialien eine andere At-
mosphäre mitbringen als industriell hergestellte? Wenn ja, wie würdest du
die jeweiligen Atmosphären beschreiben?
RZ: Gefundene, industriell hergestellte und handgefertigte Objekte bringen al-
lesamt eine andere Geschichte mit sich, die Atmosphären verschwimmen
durch die Erfahrungen, die die betrachtende Person mit dem Material erlebt
hat. Die Materialien erzählen von ihrem Fundort, scheinen Artefakte in einem
historischen Kontext zu sein und fungieren als Werkzeuge der Erinnerung.
Natürliche Strukturen bringen einen allgemeingültigen Ablauf des Wachs-
tums mit sich, der sich bisher in industriellen oder technischen Herstellungs-
prozessen nur erahnen lässt. Hierbei interessiert mich vielmehr die humane
Suche nach Kontrolle über die Natur. Nicht aber zwangsläufig Kultur.
Einige Materialien nehmen Raum ein, tragen ihren Entstehungsprozess oder
ihre Konsistenz zur Schau, andere werfen ein neues Licht auf das benach-
barte Objekt oder führen die Erwartung an der Nase herum.
LP:Wo und in welcher Form findet sich Natur in Deiner Arbeit „Fluide Samm-
lung“1 wieder?
RZ: Die fluide Sammlung ist ein sich immer verändernder Prozess, sie bleibt
offen und erweiterbar. Sie ist eine Suche, ein Werden und Gehen, ein Ver-
härten und Erweichen, das ist wohl (ihre) Natur. In einer Anordnung reckt
sich ein schmaler Streifen Glas empor, benachbart von einem in der Sonne
geschmolzenem Kunststofffläschchen, daneben eine Mandarine aus Anda-
lusien, das natürlichste Element ist das künstlichste zugleich.
LP: Bezieht sich der Begriff „fluide“ auf die stetige Veränderung/Erweiterung der
Sammlung oder spricht er über die Bewegtheit der Materialien?
RZ: Die Elemente der Sammlung begleiten mich, sind bewegt, werden bewegt,
der Begriff fluide bedeutet auch, dass alles im Fluss ist, denn Dinge ver-
schwinden und andere kommen hinzu. Viele der verwendeten Materialien
sind sogar zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer Entstehung flüssig.
LP:Würdest Du sagen, dass das Material Dich bewegt oder Du das Material?
RZ: Findet eine Art der Kommunikation statt und wie lässt sie sich beschreiben?
Einerseits bewegen mich die Dinge, ihr Material, ihre alte und neue Ge-
schichte, die ich drehe und wende. Zeit ist ein wichtiger Faktor für das Fin-
den, die Herstellung und die Kombination der Dinge. Andererseits bewege
ich die Elemente in einer Weise, dass sie sich zu einem Puzzle in einem
Rhythmus aus Form, Material und Farbe ergänzen können. Die Materialien
finden sich meist gegenseitig, solange sie die Gelegenheit dazu erhalten.
LP:Was ist das verbindende Element der unterschiedlichen Materialien, die Du
in Deiner Arbeit verwendest? Ist es, dass Du sie alle geformt hast, ihre ge-
meinsame Formsprache, dass sie miteinander präsentiert werden und so
eine Zugehörigkeit entsteht?
RZ: Ihre Zugehörigkeit beginnt bereits mit der Aufnahme durch Fund oder Herstellung in meine fluide
Sammlung. Jede Komposition ist eine offene Erzählung, die erst durch die Momentaufnahme einer
Ausstellungssituation beleuchtet wird. Die Sammlung erstarrt über den Zeitraum der Präsentation.
LP:Gibt es ein Material, das Dir am nächsten steht und warum?
RZ: An Materialien interessieren mich meist die Prozesse, genauer gesagt der Übergang in einen an-
deren Aggregatzustand. Trocknen, Brennen, Schmelzen, Verrotten oder Korrodieren. Keramische
Massen liegen mir nah, weil sie meist als Material unmittelbar mit den Händen verarbeitet werden
können, und direkt aus dem Boden enthoben werden. Massiv, schwer oder fragil, leicht, zerbrech-
lich, manifest im Feuer gebrannt oder wieder in Wasser auflösbar, die zahlreichen Möglichkeiten
kommen meiner spontanen Arbeitsweise sehr entgegen und ich kann damit aus etwas Natürlichem
etwas Künstliches entstehen lassen.
Die Orchideen in meinem Koffer – Rosa Violetta Zettl
Haus am Wehrsteg, Heidelberg, September - Oktober 2020
Text: Flora Linden
Aus einer umgestürzten Säule biegt sich ein blaues Starkstromkabel hervor, das wackelig auf aus Kupferdraht gebogenen Beinchen steht und sich empor zu recken scheint. Die Säule ist ein klarer Verweis auf Hierarchien, Wissen und ganze Gesellschaften. Die Säule als tragendes Element ist gekippt und aus ihr heraus erwächst Neues. Die Anordnung Bruch setzt einen klaren thematischen Anker in der Ausstellung. Immer wieder begegnen sich heterogene Materialien, stützen einander im Spiel aus Farbe und Form. Jedes einzelne Element scheint eine Suche nach Verortung und nach Gleichgewicht zu sein.
Zettl setzt einen nassen, grob von Handspuren durchzogenen Tonklumpen in Beziehung zur Säule, Fotografien eines von einem Gummischlauch getragenen Baums im Gewächshaus und eine tote Fichte im Wald, die sich manieristisch windet, rahmen die grobe Bodeninstallation.
Auf zwei Stahlregalen sind Objekte präsentiert, die jeweils von Wandarbeiten flankiert werden.
Die Objekte bestechen durch ihren experimentellen Charakter. Die Oberflächen der Objekte, sei es Latex, Glasur oder Erde ähneln der Haut, einige Formen verweisen fragmentarisch auf eine begreifbare Körperlichkeit. Etwa bei den Umarmungsversuchen, in denen sich ein Stück massive Keramik wie ein Finger um einen weichen, industriellen Schwamm windet, der zum leichten und umschlungenen Sockel wird. Haken aus poröser Keramik scheinen durch ihre Glasur metallisch zu sein, haben jedoch ihre Stabilität abgelegt. Eine orange transparente PET-Kunststoffflasche und ein amorpher Klops aus altehrwürdiger Holzbrandkeramik bilden eine lockere Einheit, der Titel: Symbiont. Das Nebeneinander von geschmolzener Plastikflasche, Vasenobjekt, Alge, Erde und Mistelzweig scheint in ihrer gleichwertigen Ästhetik Zeiten zu überspringen und die tradierte Wertigkeit des Materials zu hinterfragen.
Der Schaukasten Sky diving ähnelt einem surrealistischen Diorama, in der eine modulare Assemblage aus Granit, Keramik, Vorgarten-Erde und Pelz vor einen blauen Himmel mit weißen Wolken gelegt ist. Mit Verbindungen und Referenzen zum Waldsterben, zum Vergessen, sozialen Zusammenhängen, wie Trauer und Distanzierung, der Entstehung neuer Materialien, Wertigkeiten, Wachstum und zur Umweltverschmutzung bildet Zettl eine fragile Geschichte von Vergänglichkeit.
Durch eine präzise Setzung und das Zitieren aus musealem und kunsthistorischem Kontext werden die einzelnen Elemente syntaktisch zueinander in Relation gesetzt, so dass sich eine komplexe, wie sie die Künstlerin selbst betitelt ‚fluide‘ Sammlung ergibt und Interdependenzen von gesammelten Dingen, handgefertigten Skulpturen, Fotografien, Collagen, Malereien und den raumgreifenden Elementen entstehen.
Durch ihre Kombination sinken die Objekte poetisch ineinander, so dass der Raum zusammenwächst und eine subtile Raumskulptur entsteht. Die gefundenen Erinnerungsobjekte und handgeformten amorphen Artefakte bilden eine vielschichtige Synthese, aus deren Zusammenhang kein Einzelelement entnommen werden könnte. So sentimental und so eigentümlich witzig scheint die Ausstellung ein Kommentar auf unsere komplexe Welt zu sein.
Das Ökosystem als Sozialverband
Text: Laura Schreiner, 2018
Rosa Violetta Zettls Werk erinnert in erster Linie
an das postmoderne philosophische Konzept der Rhizomatik,
das seit den 70ern durch Deleuze und Guattari bekannt ist.
Die Rhizomatik beschreibt anhand des Rhizoms, zu griechisch: Wurzel,
das Modell einer anti-hierarchischen Organisation von Wissen.
Guattari nannte diesen Prozess, indem unterschiedliche Systeme in Austausch miteinander treten: Transversale Beziehungen.
Zettls raumgreifende Installationen bedienen sich der Querverbindungen,
die materielle Hierarchien überspringen beziehungsweise Elemente verbinden.
Ihre Elemente befinden sich auf unterschiedlichen Ordnungsebenen;
keines stellt den Anspruch anderen Elementen übergeordnet zu sein.
Jene Ordnung schafft Rosa Violetta Zettl prozesshaft und intuitiv.
Die Frage des Gleichgewichts zwischen und unter den vorkommenden Materialien scheint oberste Priorität zu sein.
Sie sind im Widerstreit mit tradierter Repräsentationspolitik der Materialien.
Somit kommt es vor, dass hochkulturelle Materialen wie etwa Keramik,
als handgeformte und handgroße Formen Anordnungen von Beton, Holz, Gips, Glas, industriell gefertigte Bretter u.Ä. im Gleichgewicht halten, sowie vice versa, die sogenannten armen Materialen die intelligenten Materialen ausbalancieren.
Sie bedienen sich nicht an einander aber sie fügen sich symbiotisch ineinander ein.
Hier wird gelegt, gelehnt, geklemmt aber nicht fixiert, verschraubt, gebaut.
Die Installationen sind temporäre Gesten, die verschwinden und wiederkehren.
Die Geste als Verweis, losgelöst von Nutzbarkeit, auf eine andere Ökonomie.
Ein Modell eines Ökosystems als Sozialverband; keine Skulptur steht für sich alleine, sie ist durch ihre Umwelt eingebettet. Materialien sind in dieser Hinsicht kein zielgerichteter Lieferant von hierarchischer Logik, sondern existentiell
in einem strukturellen Geflecht, organisiert und erfahrbar gemacht.
HAVARIE,
hair is meant to be loose at one end
Text: Rosa Violetta Zettl, 2017
Ich versuche alle möglichen Stränge einzufangen, fest zuhalten und miteinander zuverknoten. Objekt, Zeit, Dauer, Betrachtungsdauer, Richtung, Leserichtung, Subjekt, Bewegung, etc. pp. und so sehr ich auch weiter beobachte, zitiere und mir selbstgesetzte Strukturen zusammenzimmere, versteife ich mich darauf alles in einer einzigen punktgenauen aus Puzzleteilen aufgebauten Form zu visualisieren. Verstrickt in die Recherche, über einen Steiner gestolpert und auf der Suche nach irgendeiner Erkenntnis, die sich aus dem Tun heraus ergibt, kam mir der lichtzündende Funke einer Kohlenfadenbirne. Nämlich, dass ja das Feuer auch vor dem Streichholz da war. Lächerliche Kategorien, Systeme und Hierarchien lechzen geradezu nach meiner vor Sarkasmus triefenden Leichtigkeit, wohingegen ich selbst ja weiterhin meine Kieferknochen aufeinander presse und mir sage: es muss jedes einzelne Detail geplant sein und Spontaneität ausgemerzt werden.
Die vollkommende Unmöglichkeit einer Einigung. In einem Gespräch über nicht erlangte Erkenntnisse und völlige Auflösung von Speziflasche und parasitärem Flechtenbewuchs, sagte ein Freund zu mir: „hair is meant to be loose at one end.“* So war nun endlich der Traum vom Knoten geplatzt. Diese wunderbar simple Metapher schien alle Grenzen aufzubrechen, meine Gedanken durften wieder über die Ufer treten. Und ich war auch nicht mehr die Sonne, was ja schlussendlich für jeden unglaublich erleichternd sein muss, falls einem der Kragen vor Hitze noch nicht zu eng geworden war. Also kommt der Moment, bei dem ich nun, zumindest für einen Augenblick, zu akzeptieren versuche, dass nicht alle Stränge zu einem Knotenpunkt führen können. Ob uns das Haar nun am Ende ausgeht oder nicht, ist sowieso hinfällig.